Zwischen siebzehn und achtzehn Uhr


Nach der Arbeit schalte ich ab, hau mich aufs Bett, drücke rücklings die Netztaste des Verstärkers, danach die ein -Taste am Tuner. Den Lautstärkeknopf dreh ich so weit auf, bis die Signalanzeigen für die Boxen anfangen zu flackern.
Knallharte Rhythmen schlagen wattverstärkt die letzten Erinnerungen an den Arbeitstag nieder.
Mein Körper entkrampft sich, wird leicht.
Die nette alte Dame nebenan muss ihre Kaffeetasse festhalten und ihr Fernsehgerät lauter stellen.
Es ist mir egal.
Alles ist mir egal in dieser Stunde. Schräge Klänge, kalte Stimmen krachen und poltern, Berliner Großstadtmelodien zum Feierabend.
„…dein blauen Augen…“, singt die Blonde gefühlskalt und brutal. (Deine sind grau-grün, mein Schatz und mein „nur nicht auffallen wollen findest du zum kotzen.)
Den Rest des Refrains singe ich holprig mit. „…machen mich so sentimental, kaum zu glauben, was ich dann so fühle, ist nicht mehr normal…“ (ist wirklich nicht mehr normal!)
Wenn ich in deiner Gegenwart die Schafe zähle, bin ich beim dritten völlig durcheinander.
Beton hat kein Gefühl! Berlin hat kein Gefühl! Und mein Nachbar rennt mit seiner, ‚Lass das mal den Vati machen, Schürze’ über den Hof und schüttet den Mülleimer aus.
– Nachrichtenzeit –
Ich stell den Sender auf Zimmerlautstärke zurück, presse meine Hände auf das Gesicht bis sie meinen Mund erreichen.
Zu Kräften gekommen, stehe ich auf, gehe in die Küche, hole den Einkaufsbeutel aus der Schublade, hänge die Jacke über, binde mir die Schuhe.
Vorsichtig ziehe ich den Schlüssel aus dem Schloss, lausche einen Momentlang an der Tür. Kein Laut.
Geräuschlos gehe ich die Treppe hinab, damit mich keiner hört.

1981




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