Wie ich ein ordentlicher Mensch wurde


Wie ich ein ordentlicher Mensch wurde oder
Am Rande eines Kongresses im Palast der Republik
Unauffällig, eher farblos als verdächtig, wie ein Sandkorn in der Wüste bewege ich mich auf der Strasse. Der Tag ist mir lieber als die Nacht. Wenn es dunkelt, halte ich mich besser ein Stück vom Unbekannten entfernt, drehe mich ängstlich um, höre Schritte wo keine sind. Sicherheitsschlösser sind mein Hobby.
Mein legeres, ins schlampige tendierende Äußere benutze ich, sicher unbewusst, um wenigstens etwas Beachtung zu finden. Zugegeben, es liegt auch am fehlenden Kleingeld. Doch ein gewisser Stil kann man mir nicht absprechen. Ich verfolge die nachlässig elegante Linie.
Meine Freundin findet mich Chick so, ausgefallen und gut. Von anderen brauche ich keine Komplimente.
Ich fühle mich wohl in dem zu großen, an manchen Stellen durchlebten Sakko. Die Karottenjeans hängen etwas unbeteiligt an mir und warten auf endgülte Gewebeauflösung. Meine einst exquisiten Salamanderschuhe tragen außer mir nur noch der Meilenlaufende Zigarettentramp; sie sind bequem und so stolpere ich nachmittags sohlenschlappend und nachdenklich durch das pralle Leben.
Bis ein Polizist aus dem Lada springt und meinen Ausweis fordert. Glücklicherweise hatte ich das Seziermesser zu Hause liegen gelassen, drei Massakriert und fünf Schändungen in dieser Woche, ich wollte mich davon erholen, aber man sah mir das blutrünstige an; denn s3in Kollege saß auf dem Sprung im Auto. Die Papiere waren in Ordnung, das Passbild mir ähnlich. Abwertetend musterte er mich von Kopf bis zu den schlaffen Sohlen und ließ mich kopfschüttelnd gehen.
Ich setzte meinen Weg mit dem frischen Gefühl von Sicherheit fort. Mein Ziel, die Apotheke, hatte ich unbeschadet erreicht, nahm das Rezept aus der Tasche und reihte mich in die Warteschlange. Meine Magengeschwüre machten mir arg zu schaffen. Übelkeit, Hitze-rund Kältewellen, Brechreize, alles auf einmal überfiel mich urplötzlich. Ich taumelte aus dem Pillenladen und schleppte mich auf ein Bank im nahe liegenden Park. Fast ohnmächtig streckte ich mich aus. Bei solch einem Anfall ist es immer ratsam, sich schnell hinzulegen. Meist schlafe ich dann kurz ein.
Ein Stoß gegen das Bein weckte mich unsanft.
„Hey, bei welchem Schuster lässt du denn arbeiten?“
Ich hatte die Augen noch geschlossen und dachte, wieder solche Idioten von Rowdys – es waren zwei Herren im freundlichen Grün.
„Was soll das! Kann es sein, das mir schlecht ist?“ Verteidigte ich mich.
Scheinbar übersättigt an Erfolgserlebnissen forderte mich der mit den vielen Sternen auf:“ den Personalausweis, los!“
Ich kramte in den Taschen und fragte, ob ich etwas verbrochen hätte. Das ginge mich gar nichts an, ich hätte hier nicht so herumzulungern, war die Antwort des Genossen ohne Sterne.
„Könnten sie sich freundlicherweise vorstellen?!“
„Wchtmsdr Schrdn, Plzrevir vr.“
„Wie bitte, könnten sie wiederholen?“
Der mit den vielen Sternen, „das geht sie nichts an! Außerdem hat er nichts zu sagen, ich bin sein Vorgesetzter“
, dabei wühlte ich weiter in meinem Ausweis.
„Sie scheinen ein recht intelligenter Mensch zu sein“,…- Ich war also ein Mensch – „müssen sie denn mit solchen Schuhen… überhaupt in dieser Aufmachung herumlaufen?“
Ironisches Bonmot des Sternenlosen, „haben sie kein Sofa zu hause?“
Meine Magengeschwüre schlugen Kobolz und ungehalten fragte ich nochmals nach seinem Namen. Den Disput überhörend, erklärte mir der andere, dass neunzig Prozent der Parkbankflgel Besoffene seien. Die Streife habe die Pflicht, Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Dafür hatte ich natürlich volles Verständnis und entschuldigte mich, dass ich es mir nicht aussuchen kann, wo und wann mir schlecht wird. Belehrend erläutert er mir weiterhin Paragraphen, das es egal ist wie ich mich fühle, in jedem Fall stelle ich ein ‚öffentliche Ärgernis’ dar, und sie sind sowieso im Recht!
Restlos überzeugt, versprach ich mich zu bessern.
Auf dem kürzesten Weg eilte ich heim. Auf dem Sofa wurde mir gesetzestreu erneut übel. Danach kratzte ich sämtliche Geldreserven zusammen, lief zum Frisör, anschließend durch die Schuh- und Bekleidungsgeschäfte.
Welch ein neues Lebensgefühl! Frischer Haarschnitt, neues Sakko, tadellose Hosen und Schuhe.
So erschien ich, gerade noch rechtzeitig, zum Rendevouz. Aufrecht sitzend erwartete ich meine Freundin auf einer Parkbank.
Sie kam, blickte sich suchend um, war jetzt auf meiner Höhe, verzögerte den Schritt und ging an mir vorüber.

1981

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